Herz der Finsternis
![Buchseite und Rezensionen zu 'Herz der Finsternis' von Joseph Conrad](https://images-eu.ssl-images-amazon.com/images/I/41ZLvyYFUQL.jpg)
Inhaltsangabe zu "Herz der Finsternis"
In den Abenteuerbüchern Joseph Conrads ist der Dschungel still. Im Herz der Finsternis (1899) etwa schlängelt sich der Kongo lautlos durch die "erhabene Stille des Urwalds": Die Geschichte von Kapitän Marlowe, der sich auf die Suche nach dem rätselhaften und grausamen Elfenbeinhändler Kurtz ins dunkle Afrika aufmacht, spielt sich vorwiegend in der "schweigenden Wildnis" ab. Erst als Marlowe Kurtz zum ersten Mal zu Gesicht bekommt, durchbricht ein schriller Schrei die Lautlosigkeit. Zunächst nur "ein Wort" in den Erzählungen der Eingeborenen, stellt sich der dämonische Redner nun "als eine Stimme dar". Und als Kurtz mit dem flüsternden Ausruf "Das Grauen! Das Grauen!" sein Leben schließlich aushaucht, wird die Wahrheit dieser Einschätzung offenbar: "Er war kaum mehr gewesen als eine Stimme".Im Herz der Finsternis, das von den teuflischen Schattenseiten der europäischen Zivilisation ebenso wie von den düstren Untiefen der menschlichen Seele berichtet, ist auch der Ich-Erzähler Marlowe für seine Zuhörer "nicht mehr gewesen als eine Stimme". Auf der CD-Fassung des Reclam Verlags nun leiht der 57-jährige Schauspieler Christian Brückner, der bereits Robert de Niro und Alain Delon synchronisierte, dem Organ des Kapitäns sein raues Timbre. Er tut dies mit viel Gespür für Conrads Text: Denn während der charismatische Kurtz "ernst, tief, bebend" -- als Störung im Urwaldschweigen eben -- hätte gesprochen werden müssen, ist die von Brückner gegebene Erzählstimme Marlowes ruhig, schlängelnd und tiefgründig wie der Kongostrom.
"Meine Stimme ist es, die nicht zum Schweigen gebracht werden kann", behauptet Marlowe einmal. Nun macht uns die unverwechselbare Stimme Brückners den herrlich gleichförmig mäandrischen "Zauberfluss der Rede" vom Herz der Finsternis anschaulich. Getreu dem auf Kurtz gemünzten Diktum Conrads: "Man spricht nicht mit dem Mann -- man hört ihm zu". 5 CDs, Spieldauer: 303 Minuten. --Thomas Köster
Subtile Kolonialismuskritik
"Herz der Finsternis" ist ein Klassiker, der insbesondere im Kontext der literaturwissenschaftlichen Kolonialismuskritik auch heute noch viel diskutiert wird. Man muss sich bei der Lektüre natürlich vor Augen halten, dass Conrads Werk bereits 1899 erschien und es vor dem Hintergrund dieser Zeitgeschichte lesen. Conrad begibt sich mutig mitten ins "Herz der Fisnternis". Seine frühe Kolonialismuskritik ist subtil, aber sicher mutig. Er prangert eindeutig die Folgen des Missionierungswerkes an, inklusive der wirtschaftlichen und menschlichen Ausbeutung und des Leids, dass diese Praxis im "schwarzen" Kontinent auslöste. Dabei ist es sein Romanheld Marlow, der als Kapitän einen Flussdampfer auf dem Kongo steuert mit dem Auftrag, den Erkrankten Elfenbeinhändler Kurtz abzuholen. Conrad begnügt sich dabei damit, Marlow die Rolle eines distanzierten Beobachters zuzuweisen: fähig, Missstände wahrzunehmen und präzise zu beschreiben, hütet sich aber vor vorschnellen Bewertungen. Das ist sicher der damaligen Zeit und ihren Umständen geschuldet. Es schmälert widerum nicht die Bedeutung dieses Werkes für die weitere Entwicklung einer kolonialismuskritischen Perspektive.
Kolonialismuskritik heute geht natürlich viel weiter. Es wird kein Blatt vor dem Mund genommen und das barbarische Treiben der vermeintlichen Zivilisierten viel unverblümter aufgezeigt und problematisiert. Dabei geht es heute auch viel um political correctness in sprachlicher Hinsicht. Wertvoll finde ich die Erläuterungen im Nachwort, weshalb das Werk heutzutage als rassistisch eingestufte Begrifflichkeiten beibehält. Ich finde diese nachvollziehbar und denke, eine Tilgung derselben würde Conrads eigentümliche und subtile Kolonialismuskritik, die literaturgeschichtliche Besonderheit seines Werkes letztlich, ausmerzen.
Die Schilderungen des Geschehens auf und rund um den Kongo sind zum Teil sehr atmosphärisch, auch wenn das Geschehen phasenweise etwas vor sich hinzuplätschern scheint. Mir hat das Werk letztendlich gut gefallen, auch wenn diese Art von Abenteuerliteratur normal so gar nicht zu meinen bevorzugten Genres zählt. Ich bin froh, dieses bedeutende Werk nun endlich gelesen zu haben und empfehle es gerne weiter für alle, die an einem zeitgeschichtlich unverfärbten Blick auf das koloniale Geschehen interessiert sind.